Welche formalen und inhaltlichen Regeln gelten für Arbeitszeugnisse? Wie ist die Rechtslage zu deren Aushändigung? Und wie wichtig sind Arbeitszeugnisse im Bewerbungsprozess? Interview mit Recruiting-Experte Dr. Jörg Köbke, Geschäftsführer der Personalberatung LehrCare.
Ordnen wir zunächst einmal die Begrifflichkeiten ein: Wodurch unterscheiden sich Arbeitszeugnis, qualifiziertes Arbeitszeugnis und dienstliche Beurteilung?
Ein einfaches Arbeitszeugnis enthält keinerlei Beurteilungen und wird eigentlich nur bei kurzfristig ausgeübten Tätigkeiten ausgestellt. Das qualifizierte Arbeitszeugnis dagegen sollte der Beschäftigungsdauer angemessen ausführlich sein. Neben der genauen Beschäftigungsdauer und der Auflistung der Tätigkeitsbereiche muss es die Leistungen und das Verhalten des/der Arbeitnehmerin beurteilen und dabei der Gesamtpersönlichkeit gerecht werden. Neben finalen Beurteilungen zu Leistung und Verhalten sollten auch Befähigung, Qualität der Arbeitsergebnisse und weitere Punkte, wie etwa Engagement, hervorgehoben werden. Wichtig ist, dass die Zeugnisgeberseite wahrheitsgemäß und wohlwollend beurteilt, um dem/der Arbeitnehmer*in das berufliche Fortkommen nicht zu erschweren. Für dienstliche Beurteilungen, wie sie meist im öffentlichen Dienst und insbesondere bei Verbeamteten üblich sind, gilt dies nicht, da diese i.d.R. standardisierten Vorgaben entsprechen und in regelmäßigen Abständen oder aufgrund bestimmter Anlässe (Beförderung) erfolgen. Verlässt man den öffentlichen oder auch den Kirchendienst, ist es ratsam, sich z. B. bei Ausscheiden aus dem Beamt*innenverhältnis ein qualifiziertes Dienstzeugnis ausstellen zu lassen.
Welches Dokument verlangen potenzielle Arbeitgeber*innen von Bewerbenden?
Das ist leider nicht pauschal zu beantworten. Klassischerweise sind dies: Anschreiben, Examenszeugnisse (Studienabschlüsse und/oder Berufsausbildung, insb. für die Stelle relevante) und die letzten zwei, drei Arbeitszeugnisse sowie ggf. Nachweise über relevante Zusatzqualifikationen (als Dokument oder Liste im Anhang an den Lebenslauf). Es gibt aber Arbeitgeber*innen, auch aus dem Bereich Bildung und Erziehung, die kein Anschreiben mehr möchten. Zum einen, weil dieses ohnehin meist nur das enthält, was bereits in der Stellenanzeige und im Lebenslauf des/der Bewerber*in steht. Zum anderen, weil gerade bei pädagogischen Berufen der persönliche Eindruck und die bisherigen beruflichen Stationen wichtiger sind als Dokumente. Allerdings müssen Bewerbende natürlich erst einmal die Chance bekommen, sich persönlich vorstellen zu dürfen.
So nicht angegeben, kann man bei der ausschreibenden Stelle vorab anfragen, welche Dokumente gewünscht sind, insbesondere falls noch weitere wichtige Fragen bestehen. Erfolgt die Bewerbung per Mail, sollte erwähnt sein, dass ein Anschreiben sowie weitere Dokumente auf Wunsch gerne nachgereicht werden können. Soll die Bewerbung über ein spezielles Bewerber*innenportal bzw. auf Karriereseiten der potenziellen künftigen Arbeitgeber*innenseite hochgeladen werden, sieht man dort, welche Dokumente gewünscht sind. Wichtig ist, dass die eingereichten Unterlagen zur Stelle passen. Hat man vor dem Pädagogikstudium eine Lehre als Feinmechaniker*in gemacht, ist der Nachweis ggf. nicht relevant. Hat man nach einschlägiger Ausbildung oder Studium bereits mehrere Jahre im Beruf gearbeitet, kann man sich das schulische Abschlusszeugnis in der Regel sparen. Wenn man keine Arbeitszeugnisse hat, aber schon in ähnlicher Funktion gearbeitet hat, würde ich ehemalige Arbeitgeber*innen inklusive Kontaktdaten am Ende des Lebenslaufs als Referenz angeben.
Ist die Arbeitgeberseite verpflichtet, ausscheidenden Lehrkräften ein Arbeitszeugnis auszustellen?
Am Ende einer Berufsausbildung muss die Arbeitgeber*innenseite ein Arbeitszeugnis ausstellen. Auch ansonsten hat der/die Arbeitnehmer*in ein Anrecht auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Ausnahmen: kurzfristige Beschäftigungen, Aushilfstätigkeiten oder Tätigkeiten auf Honorarbasis. Hier reicht ein nicht qualifiziertes Arbeitszeugnis. Allerdings muss dieses ausdrücklich verlangt werden.
Wie sollten sich Lehrkräfte oder Erzieher*innen verhalten, wenn sie mit Formulierungen oder Inhalten im Arbeitszeugnis des/der letzten Arbeitgebers bzw. Arbeitgeberin nicht einverstanden sind?
Wenn man Glück hat oder es geschickt anstellt, hat man die Chance, sein Arbeitszeugnis selbst vorzuformulieren, sofern man dies will und kann. So spart sich die Arbeitgeber*innenseite Zeit und Arbeit. Das geht nicht immer und sollte ja auch nicht so sein. Zumindest aber kann man dann anbieten, die im Laufe der Zeit ausgeübten Tätigkeiten vorab aufzulisten, inkl. besonderer Leistungen aus Arbeitnehmer*innensicht. So geht man sicher, dass die Arbeitgeber*innenseite nichts vergisst. Ist man mit einzelnen Beurteilungen oder gar mit der wichtigen Schlussbeurteilung der Leistungen und des Verhaltens nicht einverstanden oder fehlen diese, sollte man die Arbeitgeberseite direkt ansprechen und gerne bereits alternative Formulierungen vorschlagen. Bei der Formulierung helfen im Handel erhältliche professionelle Ratgeber oder zur Not das Internet. Kommt man nicht weiter, möchte aber unbedingt, dass das Zeugnis oder einzelne Formulierungen darin geändert werden, weil diese nicht der Wahrheit entsprechen, hilft ggf. auch eine Mahnung mit Fristsetzung. Im Extremfall ist anwaltlicher Rat einzuholen.
Welchen Stellenwert haben Arbeitszeugnisse bei Lehrkräften, Erzieher*innen und Sozialpädagog*innen im Bewerbungsverfahren?
Das kommt auf den/die künftigen Arbeitgeber*in an. Der Fachkräftemangel spielt Stellensuchenden sicher in die Hände. Häufig ist die Arbeitgeber*innenseite froh, wenn überhaupt qualifizierte Bewerbungen eingehen. Dennoch will – außer bei Berufsanfängerinnen – eigentlich jede*r Arbeitgeber*in wissen, wie der/die potenzielle neue Mitarbeiter*in von früheren Arbeitgeber*innen beurteilt wurde. Hat man, aus irgendwelchen Gründen, keine tätigkeitsbezogenen Arbeitszeugnisse, würde ich deshalb auch Arbeitszeugnisse aus beschäftigungsfremden Arbeitsverhältnissen beifügen oder, so man über keine oder keine aktuellen Arbeitszeugnisse verfügt, ehemalige Arbeitgeber*innen unter Angabe der Funktion und Kontaktdaten wie oben erwähnt, am Ende des Lebenslaufs, benennen. Zumindest aber sollte man in einem evtl. Anschreiben, erklären, weshalb man über keine oder keine aktuellen Arbeitszeugnisse verfügt. Sonst denkt die andere Seite ggf., man hätte etwas zu verbergen.
Muss ein Arbeitszeugnis auch Auskunft über Art und Umfang der geleisteten Tätigkeiten geben?
Siehe oben. Wichtig ist noch, dass das qualifizierte Arbeitszeugnis datiert ist – und zwar möglichst nah am Tag des eigentlichen Ausscheidens – und dass es möglichst eine Bedauernsformel anlässlich des Ausscheidens der/des Arbeitnehmer*in und eine sog. Gute-Wünsche-Formel für dessen/deren weitere berufliche Zukunft enthält. Wichtig ist auch, dass die Funktion der das Arbeitszeugnis unterzeichnenden Person erwähnt wird. Es sollte möglichst hochrangig unterzeichnet werden, d.h. nicht etwa von der Gruppen- oder Stufenleitung, sondern beispielsweise von der Personal-, Einrichtungs- oder Schulleitung bzw. Geschäftsführung. Damit gewinnt das im Zeugnis Gesagte an Wert.
Die hier erwähnten juristischen Hinweise sind allgemeiner Art, nach bestem Wissen und Gewissen verfasst, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellen keine Rechtsberatung dar. Konsultieren Sie für rechtssichere Informationen bitte eine*n Fachanwalt*in.