Im Sommer 2009 geisterte eine Lehrer-Studie durch die deutsche Bildungslandschaft. Sie besagte, dass Grundschullehrerinnen und -lehrer Kinder mit bestimmten Vornamen als verhaltensauffällig einschätzen. Motiviert durch die Empörung in der Lehrerschaft, zeigt nun eine Nachfolge-Studie, dass diese Vorurteile auch zu unterschiedlicher Benotung führen.
Die „Kevin-Studie“
„Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose“, titelte Der Spiegel im September vergangenen Jahres. Für die Studie, eine Masterarbeit an der Universität Oldenburg, befragte die Autorin 2.000 Grundschulpädagogen zu ihren Namens-Vorlieben und zu Assoziationen wie Verhaltensauffälligkeit, etc. Außerdem sollten die Lehrerinnen und Lehrer eine Liste mit vorgegebenen Namen bewerten. Von den 500 Pädagogen, deren Antworten ausgewertet wurden, stellte sich ein Großteil als vorurteilsbelastet heraus: So waren sehr viele der Befragten der Meinung, aus eigener Erfahrung heraus sagen zu können, dass Kinder mit bestimmten Namen eher aus sozialen Unterschichten kommen, weniger Leistung erbringen können und häufiger verhaltensauffällig sind.
Weil der Name Kevin mit Abstand am schlechtesten bewertet wurde, ging die Arbeit als „Kevin-Studie“ in die medialen Annalen ein. Auf der Verliererseite der Jungennamen fanden sich außerdem noch Justin, Dennis, Marvin, bei den Mädchen waren es vor allem Chantal und Jaquelin, die negativ konnotiert wurden. Freuen konnten sich hingegen Jungen mit den Namen Alexander, Maximilian, Simon, Lukas und Jakob sowie Mädchen die Charlotte, Nele, Marie, Emma oder Katharina heißen.
Den Grundschullehrerinnen und -lehrern hielt die die Masterarbeit betreuende Wissenschaftlerin Astrid Kaiser damals in einem Spiegel-Interview vor, dass bildungsferne Schichten ihre Kinder zwar vielleicht wirklich öfter Kevin oder Justin nennen würden,
„[a]ber bildungsfern heißt nicht unintelligent, sondern ungefördert. Der hoch begabte Kevin bekommt nicht die schulische Förderung, die er bräuchte, weil er aus der falschen Schicht kommt und seine Lehrer ihn schon beim ersten Blick auf die Klassenliste entsprechend sortieren.“
Neue Studie: Lehrer benoten sehr subjektiv
Diese Beschuldigungen führten natürlich zu viel Aufruhr in der deutschen Lehrerschaft. Deswegen legte man dieses Jahr am Lehrstuhl der Uni Oldenburg mit einer neuen Masterarbeit nach, wieder mit einer Online-Befragung der Lehrerinnen und Lehrer. Da nur 168 der Fragebögen auswertbar waren, kann von Repräsentativität allerdings nicht gesprochen werden, Nachfolgestudien sollen aber die entdeckten Trends beweisen.
Die Lehrer bekamen in drei Kategorien Schülerarbeiten vorgelegt, so etwa einen Text mit sieben Rechtschreibfehlern. Darunter standen verschiedene Namen, mal Kevin oder Justin, mal Jakob oder Alexander, also alles Namen der Vorgängerstudie. Die Lehrer sollten nun Punkte für die Aufgabe vergeben. Das Ergebnis: Wieder wurden die Jungen-Vornamen, die in der „Kevin-Studie“ von 2009 schlechter abgeschnitten hatten, negativer bewertet, und dies obwohl objektiv die gleiche Fehleranzahl vorlag. Der Zusammenhang sei allerdings nur schwach, sagte Professorin Astrid Kaiser zum Spiegel, und auf keinen Fall so deutlich, wie bei den Vorurteilen der ersten Studie. Bei den Mädchennamen sei er sogar gar nicht festzustellen.
Auch unabhängig von den angeblichen Schülernamen ergab sich eine starke Subjektivität bei der Bewertung. Mal vergaben die Lehrkräfte nur einen, mal zehn Punkte für die gleiche Lösung einer Aufgabe.
Wie ungerecht sind Lehrer also?
Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, bezeichnete das Ganze im Stern als ein „Sommerlochthema“ und verwies auf die tatsächlichen Unterschiede der sozialen Herkunft bei Schülern. Professorin Astrid Kaiser denkt hingegen öffentlich über Bewertungs- und Einschätzungssysteme für Schüler als Alternative zur Notenvergabe nach, wie es einige Schulen in freier Trägerschaft, beispielsweise die Waldorfschulen praktizieren. Damit stößt sie jedoch bei Lehrerverbänden wie Schülervertretungen bisher auf taube Ohren. Im Gegenteil, die Kritik an den Studien seitens der Lehrerinnen und Lehrer ist so massiv, dass die Autorin der neuen Masterarbeit ihren Namen nirgendwo sehen will.
Was sagt Ihr, liebe Lehrerinnen und Lehrer? Macht Ihr Euren Job besser, als die Studien es darstellen? Wie bewertet Ihr? Was haltet Ihr von alternativen Feedbackformen ohne Noten?
Wir freuen uns auf zahlreiche Kommentare hier im Blog oder eine rege Diskussionsbeteiligung in der LehrCare-Facebookgruppe „Lehrer, Referendare und Lehramtsstudierende„.