Archiv für Januar 2013

Kleine Klassen, offener Unterricht? Alles egal! Auf den/die Lehrer/-in kommt es an! (Hattie-Studie)

Die bahnbrechende Metaanalyse „Visible Learning“ (2008) des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie erscheint unter dem Titel „Lernen sichtbar machen“ bald auf Deutsch (übersetzt und überarbeitet von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer). Die sog. „Hattie-Studie“ gilt als die umfangsreichste Darstellung der weltweiten Unterrichtsforschung. Nachdem Hattie 15 Jahre lang 800 Metaanalysen und damit 50.000 Einzelstudien untersuchte, an denen mehr als 250 Mio. Schüler/-innen beteiligt waren, kommt er zu einem ganz simplen Ergebnis: Kleine Klassen und offener Unterricht bringen nichts! Auf den/die Lehrer/-in Lehrer kommt es an! In seinem zweiten Buch, „Visible Learning for Teachers“ (2012), beschreibt Hattie „eine Pädagogik der permanenten Selbstreflexion“.

In den letzten Tagen wurde, ausgelöst durch einen Artikel in der ZEIT, viel über Hatties Studienergebnisse diskutiert. Aus gegebenem Anlass wollen wir an dieser Stelle einige Artikel und Webseiten aufführen, sodass Sie sich schnell einen Überblick über die Rezeption der Studienergebnisse in einschlägigen Print- und Onlinemedien machen können.

Hattie-Studie: Ich bin superwichtig! (ZEIT): Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht. Entscheidend ist: Der Lehrer, die Lehrerin. Das sagt John Hattie. Noch nie von ihm gehört? Das wird sich ändern.

www.visiblelearning.de: Die deutschsprachige Plattform zu Hatties Studie vom Institut für angewandtes Schulmanagement (IfaS). Hier finden Sie ein vollständiges Interview mit John Hattie, sowie Buchbesprechungen, Videos, Vorträge  und Gastbeiträge.

„Mit den Augen der Lernenden“ – Schwerpunkt der Zeitschrift Bildung Bewegt (13/2011): Die Erkenntnisse aus John Hatties Metastudie “Visible Learning” werden in Deutschland zunehmend auch in den Landesinstituten rezipiert. Die Zeitschrift Bildung Bewegt, die vom Amt für Lehrerbildung in Hessen herausgegeben wird, widmete das Schwerpunktthema der Ausgabe Nr. 13/2011 den Implikationen der Hattie-Studie. Ein sehr informativer Artikel mit Graphiken und vielen Erklärungen.

www.visiblelearningplus.com: Auf der Website von Hatties privatem Institut „Visible Learning Plus“ werden professionelle Entwicklungen für Lehrer/-innen vorgestellt, die helfen sollen, Innovationen in der Lernumgebung zu schaffen. Das Institut betreibt die Erhebung, Analyse, Interpretation und Verwendung von Informationen über den Fortschritt der Schüler/-innen und wie Leistungen des Lehrens und Lernens verbessert werden können.

„Mit den Augen der Lernenden“ – Interview mit dem Erziehungswissenschaftler Ulrich Steffens: Ulrich Steffens, der seit 30 Jahren die Qualität von Schulen untersucht. Als Leiter der Arbeitseinheit Schulqualität im hessischen Institut für Qualitätsentwicklung hat er sich intensiv mit der Studie „Visible Learning“ des Direktors des Melbourne Education Research Institute, John Hattie, auseinandergesetzt.

Frontalunterricht macht klug (FAZ): Forscher des Münchener Ifo-Instituts haben herausgefunden, dass moderner Frontalunterricht immer noch am besten ist! Leistungsvergleichstests haben gezeigt, dass mehr Frontalunterricht auch bessere Ergebnisse bringt. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Hattie-Studie. Ist der moderne Methodenmix bald out?

Lernerfolg steigern – Aussagen der Hattie Studie anschaulich dargestellt: Im Blog „Lernmix – Perspektiven für berufliche Bildung“ gibt es eine geniale Übersicht der Ergebnisse der Hattie Studie, gestaltet als interaktives Poster.

„Hattie Studie: Auf der Suche nach dem Gral“: Ein kritischer Beitrag zur Methode und den Ergebnissen der Hattie-Studie von Prof. Ralf Lankau.

„Die Hattie Studie: Der heilige Gral der Didaktik?“:  Ein ebenfalls kritischer Beitrag zur Methode der Hattie-Studie von Hans Brügelmann. Er verweist darauf, dass jede (Unterrichts-) Situation ein neuer Fall ist und somit einer eigenen Einschätzung der Lehrkraft bedarf. Die Durchschnittsbefunde aus (Meta-)Metanalysen könnten dafür hilfreiche Hypothesen liefern – aber keine Vorschriften sein.

„Was ist das Wichtigste beim Lernen? Folgerungen aus der Hattie-Studie“: Ulrich Steffens und Dieter Höfer vom Institut für Qualitätsentwicklung in Wiesbaden setzen sich in losen Folgen mit möglichen Folgerungen aus der Hattie-Studie auseinander. Bisher erschienen Teil 1: Die Lehrperson im Zentrum der Betrachtungen und Teil 2: „Basisdimensionen“ des Unterrichtens.

 

Montessori-Schulen in freier Trägerschaft

Heute gibt es in Deutschland über 400 Montessorischulen. In der Regel sind es Kindergärten und Grundschulen, seltener auch Realschulen oder Gymnasien. Was machen diese Schulen anders und welcher Philosophie folgen sie? Wie sind Montessorischulen organisiert und bedarf es einer speziellen Ausbildung als Montessori-Lehrer/-in? Diese und weitere Fragen sollen in diesem Blogbeitrag beantwortet werden.

Das erste Montessori-Kinderhaus wurde bereits 1907 in Rom von Maria Montessori gegründet. Nach ihr ist diese Pädagogik benannt. Sie zählt zur Reformpädagogik. Im Kern orientiert sich die Montessori-Pädagogik unmittelbar am Kind und berücksichtigt konsequent die Bedürfnisse des Kindes.

Prinzipien der Montessori-Pädagogik

  • Prinzip der Ganzheitlichkeit: Kinder werden in ihrer Persönlichkeit geachtet und es als ganze, vollwertige Menschen gesehen
  • oberstes Credo: „Hilf mir, es selbst zu tun!“
  • selbstbestimmtes Lernen/Freiarbeit: Schüler/-innen verfolgen und vertiefen Inhalte des Unterrichts nach eigenen Interessen und lernen nicht nur irgendetwas, sondern zu einer bestimmten Zeit etwas ganz Bestimmtes (sensible Phasen)
  • jahrgangsgemischte Klassen
  • dem Prinzip der Ganzheitlichkeit folgend wird der Einzelne nie ohne Kontext begriffen, sondern stets als Teil eines großen Ganzen – Ausdruck dessen ist das Unterrichtsfach „Kosmische Erziehung“, was Naturwissenschaften mit Elementen des Sachkundeunterrichts vereint
  • Lehrer/-innen und Erzieher/-innen greifen in das Lerngeschehen eher unterstützend und begleitend ein

Montessori-Schulen in Deutschland

Es gibt über 400 Schulen, die nach den Prinzipien der Montessori-Pädagogik arbeiten, davon sind etwa 300 Primarschulen und 100 weiterführende Schulen. Etwa 65% der Montessori-Schulen sind Schulen in freier Trägerschaft. Die freien Schulen sind meist reine Montessori-Schulen; an den staatlichen Schulen gibt es teilweise nur Montessori-Zweige. 10% der freien Montessori-Schulen sind Schulen in kirchlicher Trägerschaft, die anderen jeweils in Hand von Elterninitiativen. Von den Primarschulen sind weniger als 5% Förderschulen. Montessori-Schulen gibt es in allen Bundesländern; auf die Zahl der Schüler bezogen gibt es besonders viele Montessori-Schulen in Bayern und Berlin und relativ wenige im Nord Deutschlands.

Die Verwendung des Namens Montessori ist leider nicht geschützt. Es gibt also keine Instanz, die den Betrieb einer Montessori-Einrichtung verbindlich autorisiert bzw. überwacht. Interessierte Eltern, aber auch Lehrer, sollten sich vor Ort erkundigen, wie stark nach dem Montessori-Prinzip unterrichtet wird und inwieweit die Lehrpläne der Ministerien umgesetzt werden. Es gibt dennoch grundlegende Kennzeichen zur Bestimmung, ob eine Schule oder eine Kita nach den Prinzipien der Montessori-Pädagogik arbeitet. Am besten ist eine komplette Anstellung von Pädagogen/-innen an der Einrichtung, die einen der Ausbildungsgänge (Montessori-Diplom bzw. Montessori-Zertifikat) gemäß absolviert haben. Außerdem sollten von verschiedenen Verbänden vorgeschlagene Montessori-spezifische pädagogische Standards und Qualitätssicherungsverfahren für Einrichtungen der Elementar-/Primar-/Sekundarstufe vorhanden sein.

Verbandsarbeit

2004 gründeten die Montessori-Ausbildungsorganisationen und die Montessori-Landesverbände den Montessori Dachverband Deutschland e. V. (MDD) als Dachorganisation, um ihre Interessen auf Bundesebene zusammenzuführen. Aufgaben sind die bildungspolitische Öffentlichkeitsarbeit und Interessenvertretung, Weiterentwicklung der Ausbildungsstandards und Qualitätsentwicklung von Montessori-Einrichtungen. Der MDD als Dachorganisation der Montessori-Landesverbände bietet auf seinem Portal alle Informationen für interessierte Eltern und Pädagogen/-innen an Montessori-Pädagogik, Montessori-Einrichtungen und der Montessori-Ausbildung. Die Montessori-Landesverbände vertreten die Interessen der jeweiligen Montessori-Einrichtungen, koordinieren die regionale Arbeit und informieren über Fortbildungen. Der MDD selbst ist auch Mitglied in europäischen Montessori-Dachverband, dem Montessori Europe e.V.

Montessori-Ausbildung

Die Mitarbeiter/-innen an den Montessori-Einrichtungen haben meist eine zusätzliche Montessori-Ausbildung, die in den meisten Fällen nach dem staatlichen Abschluss als Erzieher/in bzw. Lehrer/in berufsbegleitend erworben wird. Die Ausbildungskurse werden von Montessori-Ausbildungsorganisationen (Deutsche Montessori Gesellschaft e.V. , Heilpädagogische Vereinigung e.V., Montessori Bildungsakademie) veranstaltet, entweder direkt oder indirekt über lokale Träger. Laut Auskunft des MDD absolvierten in den letzten Jahren jährlich ca. 800 Pädagogen/-innen berufsbegleitende Montessori-Ausbildungen.

Grundsätzlich wird ein Diplom-Lehrgang für die Elementar- und Primarstufe angeboten. Sie werden in Zusammenarbeit mit Volkshochschulen, konfessionelle Bildungswerke, Initiativen, Arbeitskreise und Verbänden durchgeführt. Diese Lehrgänge unterliegen bestimmten Standards, die von einer Standard-Kommission aufgestellt wurden. Die Standards basieren auf einem Curriculum, das von der Association Montessori Internationale (AMI) übernommen wurde und ist auf Kinder im Alter von 3-9 Jahren ausgelegt (Kita und Grundschule). Der Lehrgang hat das Ziel, in Theorie und Praxis der Montessori-Pädagogik einzuführen und Teilnehmer/-innen  zu befähigen, im Sinne der Montessori-Pädagogik zu handeln. Die berufsbegleitende Zusatzausbildung richtet sich Erzieher-/innen, Sozialpädagogen/-innen und Lehrer/-innen und endet mit der Verleihung des Montessori-Diploms. Das nationale Montessori-Diplom gilt als ein Befähigungsnachweis, in Montessori-Kinderhäusern und Montessori-Schulen gemäß den Montessori-Prinzipien arbeiten zu können.

Außerdem gibt es Montessori-Zertifikatskurse für die Sekundarstufe, die  von der Deut­schen Montessori-Gesellschaft e.V. (DMG) und der Deutschen Montessori-Vereinigung e.V. (DMV) über Bildungsträger vor Ort angeboten werden. Sie basieren auf den Standards der Sekundarstufenausbildung.

Eine Übersicht über alle laufenden sowie zukünftigen Kurse erhält man auf den Portalen der einzelnen Ausbildungsorganisationen.

Das Edukanat – Professionalisierung der Ausbildung von Internatserziehern/-innen

Die Ausbildung von Erziehern/-innen und Sozialpädagogen/-innen verändert sich zur Zeit stark. Immer weitere Ausbildungsinhalte kommen an Hochschulen, Fachhochschulen und Fachschulen dazu und viele neue Fort- und Weiterbildungen werden angeboten. In diesem Beitrag wollen wir uns mit der Professionalisierung der Ausbildung von Internatserziehern/-innen beschäftigen. Viele Schulen in freier Trägerschaft sind gleichzeitig Internatsschulen oder kooperieren mit Internaten. Pädagogen/-innen und Erzieher/-innen, die in Internaten arbeiten und teilweise leben, stehen vor besonderen Herausforderungen und benötigen dazu spezielle Kompetenzen. Ausführlich können Sie das im Artikel „Was gute Internatserzieher ausmacht“ von Herrn Prof. Dr. Volker Ladenthin nachlesen. Die Interessen von Erziehern/-innen in Internaten werden von verschiedensten Internatsverbänden vertreten. Einer der größten Verbände ist der Verband der Katholischen Internate und Tagesinternate (V.K.I.T.). Er hat das Programm „Edukanat“ ins Leben gerufen. Dieses möchten wir Ihnen in diesem Magazinbeitrag näher vorstellen.

Das Edukanat – Professionalisierung der Internatserziehung

Spezifische Ausbildungslehrgänge zum/-r Internatserzieher/-in, die auf die speziellen Herausforderungen der Internatserziehung eingehen und Internats- und Tagesinternatspädagogik als eigenständiges pädagogisches Wirkungs- und Handlungsfeld verstehen, gibt es nach wie vor nicht. Auch sind Besonderheiten der Internatserziehung selten Inhalte der allgemeinen Erzieher/-innenausbildung oder des Sozialpädagogikstudiums.

Mit dem Edukanat ist dem V.K.I.T. somit etwas gelungen, was es so in der bildungs- und berufspolitischen Internate-Landschaft noch nicht gab. Analog zum Referendariat der Lehrer/-innenausbildung will das Edukanat für die pädagogischen Mitarbeiter/-innen eine verbesserte Qualifizierung erreichen und die Verortung der Internatspädagogik im wissenschaftlichen Diskurs ermöglichen. Damit trägt das Edukanat zur Professionalisierung der Internatserziehung bei. Das (berufsbegleitende) Edukanat erstreckt sich über ein Jahr und beinhaltet eine 2-wöchige Hospitation, ein 5-tägiges Blockseminar, 6 Wochenendveranstaltungen und einer Abschlussarbeit. Im Moment läuft bereits der dritte Durchgang, zwei Durchgänge des Kurses konten bereits erfolgreich abgeschlossen werden. Das neue Edukanat-Kursprogramm für den Durchgang 2013/2014 ist bereits online einsehbar.

Das Edukanat will den „Blick des Erziehers für die Praxis schärfen und Modelle zur Erklärung und Gestaltung von pädagogischer Praxis im Internat vorstellen. Es will die Erfahrungen, die die Erzieher bei ihrer bisherigen
Tätigkeit im Internat gewonnnen haben, als Anlass zum Nachdenken über Erziehung nehmen. Diesem doppelten Ziel, von Theorie auf Praxis und von Praxis auf Theorie zu blicken, dienen die unterschiedlichen Veranstaltungen und Kurse. Das Edukanat soll die pädagogische Urteilskraft verbessern. Es richtet sich an Teilnehmer, die ihre Erfahrungen in der Berufstätigkeit reflektieren, sich mit wissenschaftlichen Ergebnissen auseinandersetzen wollen und Interesse an einer vertieften Betrachtung ihrer Berufsaufgaben haben. Das Edukanat bietet Raum für den Austausch von Erfahrungen und berufsbezogenen Gesprächen, praxisnahes Lernen in kleinen Gruppen und für Diskussionen mit Experten aus der Internatspädagogik und anderen Fachgebieten.
Die Teilnahme steht inzwischen auch Interessenten offen, die an einer den (Tages-)Internaten des V.K.I.T. vergleichbaren Einrichtung arbeiten („Nichtmitglieder“).

Hauptreferenten des Edukanates sind der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Volker Ladenthin, der Psychologe Prof. Michael Ley und P. Paulus Koci OSB. Weitere Referenten aus dem Bereich Kinder- und Jugendpastoral, Psychologie, Rechts- und Verwaltungswissenschaft, Erziehungswissenschaft und anderer Bereiche unterstützen den Lehrgang. Der Wissenschaftliche Beirat des V.K.I.T. begleitet das Edukanat und trägt Mit-Verantwortung  für die konzeptionelle Weiterentwicklung.

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